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Meine Reise nach Spanien

 vom 18. September bis 7. Oktober 1951

 

Am 18. September - mittags 1 Uhr - holte mich Oberarzt Dr. W. mit seinem kleinen Wagen ab, um mich nach Bad Pyrmont zu fahren, von wo die Reise nach Spanien losgehen sollte. Nach guter Fahrt kamen wir um 4 Uhr nachmittags dort an. Herr Dr. W. fuhr nach Hamm wieder zurück und ich übernachtete in Pyrmont.

Am nächsten Morgen wurde ich von dem Sohn des Dr. R. mit dessen Wagen, einem wunderschönen großen Mercedes, wir die Fahrt nach Spanien machen sollten, abgeholt und die Reiseteilnehmer, Herr Dr. R., Frau R.  und Herr Dr. M. nebst meiner Person im Auto verstaut, nachdem unser Gepäck in mühseliger Arbeit fest verschnürt worden war und oben auf dem Gepäckhalter lag. Wir fuhren über Höxter, Kassel, Karlshafen, Marburg, Gießen, Frankfurt nach Worms. In Worms wurde ein kurzer Halt gemacht, der Dom und das Lutherdenkmal besichtigt und dann ging es ohne Aufenthalt weiter. Über Kaiserslautern und Homburg fuhren wir nach Landstuhl – dem letzten Ort vor der Grenze – wo wir abends um 7 Uhr ankamen und im Bahnhofshotel ziemlich primitiv übernachteten.


Um 9 Uhr früh ging es dann am nächsten Tag wieder weiter und bald war die Grenze erreicht. Über Saarbrücken ging es nach Nancy. Dort kurzer Aufenthalt und Besichtigung des Place Stanislas, der architektonisch sehr schön ist. Weiter über Vitelles – dessen großzügig angelegte Kuranlagen wir uns ansahen – Langres, Dijon nach Nuits St. George, wo wir wieder abends in der Dunkelheit landeten und im Hotel „De la croix blanche“ gut übernachteten.


Der 3. Tag brachte uns über Beaune, Macon, Chalon sur Saone und Lourans nach Lyon. Auf den Feldern bei Chalon haben wir die ersten Weintrauben gepflückt und festgestellt, daß sie noch ziemlich sauer waren. Kurz vor Lyon hatten wir Rast gemacht und uns am Wege gelagert, um unser Brot zu verzehren, da wir uns der Devisen wegen nur eine warme Mahlzeit am Tage in einem Restaurant leisten konnten. So fuhren wir stets vom Morgen bis zum Abend mit nur ganz kurzen Unterbrechungen und Besichtigungen durch. In Lyon wurden die Gebäude der Oper und des Museums besichtigt und dann ging es weiter durch viele kleine französische Dörfer – die alle unbeschreiblich schmutzig und verkommen wirkten , aber alle tadellose Autostraßen haben – nach Vienne und Valence. Eigenartig vor den Türeingängen der Geschäfte die Vorhänge aus bunten Glas- oder Holzperlen anstelle der Türen. Es geschieht zur Abwehr der Fliegen und dessen besseren Luftdurchzuges wegen. Wir übernachteten in einem soeben fertig gewordenen sehr sauberen Garagenhotel.


Am 4. Tag fuhren wir über Montélimar und besichtigten dort den Heldenfriedhof der deutschen Soldaten, dessen einer Teil sauber und gepflegt ist während der Teil der unbekannten Soldaten ziemlich verwahrlost ist. Zwischen Montélimar und Orange frühstückten wir zum ersten Mal unter südlichem Himmel bei einer sehr hübschen Tankstelle unter großen Palmen, die dort in Kübel standen. In Orange sahen wir uns den Arc de triomphe an und fuhren dann durch Chateauneuf du pape, wo uns die selbstgepflückten Trauben schon besser mundeten, weil sie größer und süßer waren als in Macon. In Südfrankreich sind die Weinstöcke sehr niedrig und stehen in weiten ebenen Feldern, sehen aber nicht so gepflegt aus wie bei uns. Dann sieht man wieder weite Strecken völlig unbebauten Geländes, das restlos versteppt ist und um das kein Mensch kümmert. In dieser Gegend ist die Landschaft nicht sehr reizvoll. Dann ging es nach Avignon, das mir ausgezeichnet gefallen hat. Herrlich das Palais du pape, die gut erhaltene Römerarena mit dem Standbild des Augustus, die alte Stadtmauer. Von Avignon ging es nach St. Andrée und Châteaurenard, Nimes, Lünel, Jacon – wo wir die ersten Pinien sahen – Montpellier und Frontignan nach Sète, dem zweitgrößten Mittelmeerhafen Frankreichs. Damit hatten wir am Spätnachmittag des 4. Tages das Mittelmeer erreicht. In Sète wurde im Grandhotel am Hafen übernachtet.


Der 5. Tag zeigte uns schon das ganze südliche Leben  und Treiben und brachte uns über Bezières, Narbonne und Carnet nach Perpignan, wo wir etwas Rast machten. Dann wurde noch das ziemlich primitive Bad Le Boulou besichtigt und um 4 Uhr nachmittags die französische Grenze bei Perthus erreicht und wenig später die spanische Grenze bei Céret. Über Figueras ging es in kurvenreicher Fahrt über die hohe Paßstraße in der Nähe Andorras, die herrliche Ausblicke bot, nach Gerona und von dort an der Mittelmeerküsten entlang – leider in Dunkelheit – nach Barcelona, wo wir am Sonntag um halb 9 Uhr abends eintrafen.


In Barcelona wohnten wir bei Professor F., einem spanischen Arzt, den mein Mann seit 25 Jahren kennt. Er hat eine sehr hübsche blonde Frau, eine Katalanin und außer zwei erwachsenen Söhnen noch zwei bildhübsche kleinere Kinder, einen Jungen und ein Mädchen, die ganz entzückend graziös sind. Am Vormittag war die Eröffnung des Rheumakongresses und der Empfang durch den Dekan der Universität, an dem ich mit Ernst teilnehmen konnte. Da gerade das Fest des Schutzheiligen von Barcelona war; der heiligen Eulalia, sahen wir eine große Prozession, in der überlebensgroße Puppen, die verschiedene Heilige und Könige darstellten, mitgeführt wurden, die kostbar gekleidet waren. Dann zeigte man uns einen Teil der Altstadt und abends fuhr ich mit Ernst und einem deutsch-portugiesischen Ehepaar aus Lissabon mit der Zahnradbahn auf den Tibidabo, einem kleinen Berg außerhalb der Stadt, der einen prächtigen Rundblick auf Barcelona und den Hafen bietet. Dort aß ich gebackenen Thunfisch, der vorzüglich schmeckte.


Am Dienstag war für die Damen der Kongreßteilnehmer eine Autobusfahrt ans Mittelmeer nach Sitges vorgesehen, die einzig schön war. Wir besichtigten einige Museen und ein kleines Schloß am Meer mit zauberhaftem Blick, in dem jetzt König Humbert II. von Italien wohnt. Abends war ich mit Ernst, dem portugiesischem Ehepaar und zwei schweizer Ehepaaren in der Altstadt in einer kleinen typisch spanischen Gaststätte und hinterher machten Ernst und ich noch einen kleinen Bummel durch die Altstadt, die Ernst ja in- und auswendig kennt, da er bereits 10mal in Barcelona war. So landeten wir erst nach 1 Uhr Nachts zu Hause. Nun gibt es in Barcelona kaum Hausschlüssel und man muß vor der geschlossenen Haustür solange in die Hände klatschen, bis der Nachtwächter, zu dessen Häuserblock das betr. Haus gehört, erscheint. Klappt das nicht, wird mit einem eisernen Stock solange in dreimaligem Rhythmus auf die Straße oder noch besser auf die Straßenbahnschienen geschlagen, bis der zuständige Nachtwächter kommt, um einem das Haus aufzuschließen.


Am Mittwoch gab es wieder für die Damen eine Autobusfahrt nach dem Tibidabo mit anschließender Rundfahrt durch die Stadt und Besichtigung des Nationalmuseums. Am Nachmittag waren Ernst, Rs., Dr. M. und ich zum Stierkampf. Die Spanier waren begeistert und in kolossaler Erregung und waren dem Stierkämpfer nach dem Sieg Blumen, Tücher, Handtaschen, ihre Sitzkissen und dgl. hinunter, die er ihnen – außer den Blumen natürlich – dann wieder hinauf warf. Ich hatte nach dem 5 Stier genug und nachdem noch ein prächtiges Reiterspiel gezeigt wurde, überließen wir den Spaniern die weiteren 5 Stiere. Mein Mann, der ja nun schon so oft die Stierkämpfe gesehen hat, erklärte mir, daß jeder Schritt, jede Bewegung des Stierkämpfers genau vorgeschrieben ist und daß sich der Spanier an diesem graziösen Spiel der Kräfte, der Gewandtheit und Geschmeidigkeit der Toreros in den gefährlichsten Situationen berauscht. So habe ich es noch nicht gesehen, ich sah nur den armen Stier und das war vielleicht verkehrt. Abends gingen wir dann ins „Spanische Dorf“, wo man uns spanische Tänze zeigte. Das „spanische Dorf“ ist anläßlich einer Weltausstellung im Jahre 1929 geschaffen worden und ist eine bis auf die Art des Steinpflasters naturgetreue Nachahmung der Eigenart der Bauweise der einzelnen spanischen Ortschaften.

 

Am Donnerstag zeigte mir Ernst die Prachtstraßen Barcelonas, die wirklich wunderschön sind, sauber, großartig in der Anlage und imponierend durch die schönen Gebäude. Am Abend um 1/2 10 Uhr war dann das Galadiner im Palazzo de la Lonja, von dem wir um 3 Uhr Nachts zu Hause waren.

 

 

 

 

Galadiner im Palazzo de la Lonja 

 

27. Sept. 1951

Foto im Privatbesitz

 

Am Freitag war ein gemeinsamer Tagesausflug mit Autobussen nach dem Felsenkloster Montserrat. In halsbrecherischen Kurven ging es hinauf in das unerhört zerklüftete, einzigartige und wuchtige Felsmassiv, in dem hoch oben das Kloster liegt. Die Klosterkirche selbst ist mit unzähligen Kostbarkeiten prächtig ausgestattet und enthält u.a. die wundertätige Statue der Schwarzen Madonna, die vor herrlichem Goldmosaik steht. Es war schon ein eindrucksvolles Erlebnis.


Am Sonnabend verließen wir Barcelona wieder im Auto von Dr. R. und fuhren am blauen Mittelmeer, der „costa brava“, entlang in Richtung Heimat. Es war eine märchenhaft schöne Fahrt und führte uns zunächst nach Areuys de Mar, wo wir in einem Inselhotel, einem früheren alten Kloster aus dem Jahr 1556 zu Mittag aßen. Dann ging es über Blanes, Lloret de Mar und Tossa de Mar nach San Feliu de Guixols, wo wir in einem entzückenden kleinen Hotel in maurischem Stil übernachteten. San Feliu de Guixols ist eine nette kleine Stadt am Mittelmeer, die anderen Orte, die wir durchfuhren, sind Fischerdörfer, noch völlig unberührt vom Fremdenverkehr, in wunderschöner Lage am Mittelmeer.


Am Sonntag fuhren wir weiter an der „costa brava“, der spanischen Riviera, entlang bis San Agáro, wo eine Pause gemacht wurde. Während Rs. und Dr. M. im Mittelmeer badeten, machten Ernst und ich einen Spaziergang, der mir unvergeßlich sein wird. Wir gingen zwei Stunden oben auf dem rötlichen Felsen am Meer entlang. Es war zauberhaft schön. Die Sonne schien auf die Pinien, die einen süß-würzigen Duft ausströmten, das Meer war tiefblau, dazu der rötliche Felsen, der strahlend-blaue Himmel und prächtige schneeweiße Villen in maurischem Stil und großartig angelegte Gärten in üppiger südlicher Vegetation. Palmen, Pinien riesenhafte Kakteen, Agaven, Feigenbäume, Olivenbäume usw. Ein Märchen aus 1001 Nacht! – dann ging es weiter über Palaós und Palafrugell nach La Escala, wo wir Mittag aßen, denn seit der Herr Gemahl bei mir war, wurden die Mahlzeiten üppiger...! In La Escala trocknete man gerade Gerste, die mitten auf die Straße geschüttet wurde. Nach Überquerung des Rio Fluvià, ging es über Torroella de Fluvià, Castelló d’Empúries und dem Hafen Rosas über die hochalpine Gebirgskette auf den Nordabhang, an dem Weinberge und Olivenhaine standen, und herunter nach Port de la Selva, wo wir übernachteten.


Am Montag, dem 1. Oktober fuhren wir in unendlichen Kurven über den Pyrenäenpaß, auf dem wir Steinhühner sahen und der eine herrliche Fernsicht auf das Mittelmeer bot, über Colera zur Grenze nach Portbou. Mittags waren wir in Banyuls sur Mer, dem Departement der Ostpyrenäen und dann ging es über Perpignan, Narbonne, Bezières, Montpellier, Arles und St. Gilét nach Marseille, wo wir im Stockdunklen ankamen und in der Hauptstraße von Marseille, der Canebière, im Grand Hôtel fürstlich übernachteten.


Am Dienstag Vormittag fuhren Ernst und ich mit einer furchtbar klapprigen Straßenbahn nach dem chemin de la corniche, wo wir im Hôtel Petit Nice Mittag aßen. Aber welch ein Unterschied zwischen dem geordneten und sauberen Spanien! Marseille wirkt schmutzig, unordentlich ungepflegt. Nachmittags fuhren wir dann mit dem Motorboot nach dem Chateau D´ IF der Felsenfestung im Mittelmeer, in der u.a. auch der Mann mit der „Eisernen Maske“ geschmachtet haben soll. Abends aß ich am Hafen die berühmte Bouillabaisse, eine Fischsuppe mit Krebsen, Seeigeln, Seewalzen u. dgl. in Safrantunke. Ich fand sie scheußlich.

Am Mittwoch trennten wir uns dann von Rs., die einen anderen Rückweg nehmen wollten und fuhren mit einem kleinen Autobus von Marseille über Aix und Manosque nach Larogne, wo wir unter einem großen Schilfdach zu Mittag aßen. Dann ging die Fahrt weiter durch die Dauphinée und über den Paß der Seealpen, Lus-la-croix-Haute, 1055 ü. M. nach Grenoble, in dem mein Mann s. Zt. einige Semester studiert hatte. Abends machten wir einen schönen Spaziergang am Ufer der Isère. Wir übernachteten im Touringhotel.


Am Donnerstag Vormittag fuhren wir mit der Schwebebahn, der Teleférique, die eigentlich nur ein Kasten ist, in dem 3-4 Personen Platz haben, über die Isère auf die Bastille, in der jetzt ein Restaurant ist, das hoch oben auf dem Felsen liegt und von dem man aus die mächtigen Massive der Nachbarberge sieht. Nachmittags ging es mit dem Postauto über Chambery, Aix les Bains und Annecy in schöner Fahrt durch Savoyen nach Genf, wo wir im Hôtel de familles wieder fürstlich übernachteten.


Am Freitag Vormittag machte ich einen schönen Spaziergang durch die Stadt und am Genfer See, während Ernst zu tun hatte und Mittags fuhren wir mit der blitzsauberen schweizerischen elektrischen Eisenbahn über Lausanne und Freiburg nach Zürich. Am Spätnachmittag wurde gleich noch ein Spaziergang durch die Hauptstraße zum Züricher See gemacht und abends besuchten wir Bekannte von Ernst. Wir übernachteten im Hotel Walhalla in der Nähe des Bahnhofs.


Am Sonnabend Vormittag bummelten wir durch Zürichs Straßen und die Altstadt und am Nachmittag ging es heimwärts. Wir fuhren von Zürich nach Basel und wollten von dort mit dem FDT nach Hanm. Fünf Minuten hatten wir Spielraum, um den FDT zu bekommen und natürlich klappte das nicht. Wir kamen an und sahen gerade noch den Zug aus der Halle fahren. Da sich mein Mann aber nun nicht so leicht geschlagen gibt, verhandelte er sofort mit dem Stationsvorsteher in Basel, hielt ihm seinen Ausweis als Obervertrauensarzt der Eisenbahn unter die Nase und erreichte tatsächlich, daß für uns beide allein ein ganzer Leerzug abdampfte und mit uns beiden als einzigen Passagieren nach dem Bad. Bhf. Basel dem FDT nachfuhr, der dort auf uns warten mußte. Mit 100-120 km / Std. Geschwindigkeit ging es dann über Freiburg, Offenburg, Baden-Os, Karlsruhe, Mannheim, Mainz, Koblenz, Bonn, Köln, Wuppertal-Elberfeld und Hagen, mit je 1 Minute Aufenthalt nach Hamm, wo wir nach nur 8stündiger Fahrt um 1.05 Uhr Morgens ankamen. Leider habe ich von dieser Fahrt der Dunkelheit wegen nichts gehabt und ebenso sah ich die Schneekette der Alpen weder in Grenoble, Genf oder Zürich, da alles in Nebel gehüllt war.


Zu Hause angekommen, fanden wir sämtliche Zimmertüren verschlossen, das Mädchen nicht da. Die Aussicht, die ganze Nacht auf der kalten Diele zuzubringen, schien uns nicht sehr verlockend und so ging Ernst ins Krankenhaus hinüber und versuchte des dortigen Nachtwächters habhaft zu werden. Es gelang und mit seiner Hilfe kamen wir in die Zimmer hinein, wo ich feststellen konnte, daß das Mädchen in gottesgesegnetem Schlaf in ihrem Zimmer lag und nichts von all dem Gerüttel an den Türen gehört hatte!

 

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