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Vorwurf Nr. 2: "Baader war für die gesundheitlichen Verhältnisse in dem belgischen KZ Breendonk zuständig – letztlich also KZ-Arzt."
Richtigstellung zum zweiten Vorwurf:
Richtig ist, dass Baader einmalig und nach einer Intervention des Schweizerischen Roten Kreuzes mit der Inspektion beauftragt wurde. In seinem Bericht stellte er die katastrophalen Haftbedingungen deutlich heraus. Aufgrund der Intervention Baaders wurde die Versorgung der Häftlinge wesentlich verbessert.
Beweisführung der Richtigstellung:
Baader wurde nachweislich zum Kriegsbeginn zur Wehrmacht einberufen. Er bekleidete dort im Zeitraum von September 1939 bis zum Kriegsende folgende sanitätsdienstliche Stellungen:
Wie stellte sich für Baader die Lage in Belgien in den Jahren zwischen 1940 und 1944 dar?
1. Belgien unter Militärverwaltung:
"Nach dem überraschend schnellen militärischen Triumph im Westen unterstellte Hitler im Sommer 1940 Frankreich und Belgien der Zuständigkeit der Wehrmacht. Zwischen 1940 und 1944 residierten in Paris und Brüssel deutsche Militärbefehlshaber, die mit vergleichsweise kleinen Stäben von Verwaltungsbeamten die Aufsicht über die im Amt verbliebenen französischen und belgischen Behörden ausübten. Während die Oberfeldkommandantur in Lille, zuständig für die beiden Departements Nord und Pas-de-Calais, dem MBF in Brüssel unterstand, amtierten im übrigen besetzten Frankreich unter dem MBF in Paris auf regionaler Ebene drei Militärbezirkschefs, zu denen nach dem Einmarsch deutscher Truppen in die unbesetzte Zone im November 1942 noch der Kommandant des Heeresgebietes Südfrankreich hinzukam. Ihnen unterstanden die Feld-, Kreis- und Ortskommandanten, die die unterste Ebene der Verwaltungshierarchie bildeten. Daneben verfügten jedoch Heer und Luftwaffe sowie insbesondere die Marine sowohl in Belgien als auch in Frankreich zusätzlich über eigene Dienststellen. Das gleiche galt für den Bereich der Rüstungswirtschaft.“ [1]
2. Auswirkungen für Flüchtlinge und historisch bedingte Ursachen:
"Mit der deutschen Besatzung der Staaten West- und Nordeuropas im Frühjahr 1940 gerieten mehr als eine halbe Million einheimische und geflüchtete Juden unter deutsche Herrschaft. Anders als in Polen versuchte die deutsche Besatzung, die nichtjüdische Bevölkerung und die Verwaltung für die Kollaboration bei der Judenverfolgung zu gewinnen mit unterschiedlichem, aber allmählich wachsendem Erfolg. Das hatte historische Ursachen. „In den 1930er-Jahren nahmen in Belgien antisemitische und fremdenfeindliche Tendenzen vor dem Hintergrund der allgemeinen Wirtschaftskrise sowie steigender Flüchtlingszahlen deutlich zu. Dessen ungeachtet fanden von 1933 an Juden aus dem Reich auch in Belgien Zuflucht, doch die belgische Regierung verfolgte gegenüber den Flüchtlingen eine restriktive Politik. Als Flüchtlinge erkannte Belgien nur politisch, nicht jedoch aus rassischen Gründen Verfolgte an, tolerierte gleichwohl die illegal ins Land Gelangten. Die meisten Juden verließen ihre deutsche, österreichische oder tschechische Heimat infolge der Enteignungen durch das NS-Regime mittellos. Sie fanden Unterstützung durch belgische Hilfsorganisationen wie das Hilfskomitee für jüdische Flüchtlinge (Comité d’Assistance aux Réfugiés Juifs). Bis 1940 kamen mehr als 25 000 Juden aus dem Reichsgebiet nach Belgien, vor allem nach den Novemberpogromen 1938. Die meisten von ihnen wurden in eigens eingerichtete Auffanglager wie Merksplas bei Antwerpen und Marneffe bei Lüttich eingewiesen. Die Programme neuer radikal-nationalistischer Organisationen waren offen judenfeindlich. Bereits 1931 wurde der Verbond van Dietsche Nationaal-Solidaristen (Verdinaso) gegründet, der sich explizit gegen alle Einwanderer richtete und Juden als Volksfremde ansah. 1933 folgte der von Staf de Clercq geführte Vlaamsch Nationaal Verbond (VNV), der die Unabhängigkeit Flanderns forderte. Der 1936 gegründete katholisch-nationalistische Mouvement Rexiste (Rex) unter der Führung des Wallonen Léon Degrelle propagierte die Abschaffung der Demokratie in Belgien, die Einführung eines autoritären Systems und wandte sich gegen jeglichen Einfluss von Juden auf Politik und Wirtschaft. Auch etablierte Parteien wie die Katholische Partei und andere Organisationen nahmen Mitte der 1930er-Jahre einige antijüdische Klauseln in ihre Programme auf.“ [2]
3. Die Haltung der belgischen Verwaltung und der Polizei – kooperative Zusammenarbeit mit der Besatzungsmacht:
„…. Mit der Machtübernahme Hitlers 1933 strömten weitere Flüchtlinge – nicht nur Juden, sondern auch Kommunisten, Sozialdemokraten und andere Regimegegner – ins Land. Der prominenteste war Albert Einstein. Die Regierung verbot ihnen die Berufstätigkeit, so dass die meisten auf die Unterstützung der sehr rührigen »Hilfscomités« angewiesen waren. 1937 beschloss Belgien, keine weiteren Flüchtlinge mehr aufzunehmen. Illegal kamen sie allerdings noch immer über die Grenze. Nach dem Anschluss Österreichs, der Annexion des Sudetenlandes und der Reichspogromnacht wurde das Einreiseverbot Ende 1938 wieder gelockert. Viele Flüchtlinge, die oft daran dachten, über die Häfen Antwerpen und Ostende weiterzureisen, kamen in Auffanglager. Bei Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 wurden alle Fremden registriert. Insbesondere deutsche Staatsbürger, »les boches de 1914-18«, wurden als Feinde und potentielles Sicherheitsrisiko betrachtet. Als die »drôle de guerre« am 10. Mai 1940 mit dem deutschen Überfall auf Belgien, Frankreich und die Niederlande endete, wurden etwa 13.500 Fremde von der belgischen Polizei verhaftet, die Hälfte von ihnen nach Frankreich deportiert. Aus den Lagern am Fuß der Pyrenäen kamen nur wenige Flüchtlinge nach Belgien zurück. Bevor die Regierung nach Frankreich (und letztlich nach London) floh, ermächtigte sie die Generalsekretäre, die Spitzenbeamten der Ministerien, alle Aufgaben der Minister zu übernehmen. Die Generalsekretäre beratschlagten mit einem der prominentesten Industriellen und Bankiers des Königreichs, Alexandre Galopin, Gouverneur der »Société Générale«. Sie einigten sich auf eine Linie, die der Historiker José Gotovitch später als »Politik des geringeren Übels« umschrieb. Man war sich einig: Auf keinen Fall durfte sich die erste deutsche Besatzung von 1914 bis 1918 wiederholen, mit einer deutschen Zivilverwaltung, die den Staat zerschlug, die Geldvorräte raubte, die Industrieanlagen demontierte und Arbeitskräfte deportierte. Diesmal sollten alle Entscheidungen in belgischer Hand bleiben, mit den produzierten Gütern Lebensmittel für die Bevölkerung gekauft werden. Die Richtlinien für die Beamten waren bereits 1935 von der Regierung festgelegt worden. Sie sollten mit einem Besatzer zusammenarbeiten, außer wenn es sich »um Befehle handelte, die nicht mit der Treuepflicht gegenüber dem Vaterland vereinbar« waren. Dann mussten sie sich an ihre Vorgesetzten wenden. Nach der belgischen Kapitulation am 28. Mai 1940 akzeptierte die deutsche Militärverwaltung für Belgien und Nordfrankreich die »Galopin-Doktrin«. Auf diese Weise sparte sie Mühe und Kosten und konnte sich ganz auf die strategischen Ziele konzentrieren. Diese pragmatische Haltung kam am 28. Oktober 1940 zum ersten Mal auf den Prüfstand. Eine Verordnung der Militärverwaltung verlangte, dass alle Juden – die Verordnung definierte sie als »alle Personen, die mindestens drei jüdische Großmütter haben« – aus sämtlichen öffentlichen Ämtern entfernt werden mussten. Das stand in krassem Widerspruch zur belgischen Verfassung, die die Glaubens- und Religionsfreiheit sowie die Gleichheit aller Belgier garantiert. Die Generalsekretäre weigerten sich deshalb, diese Verordnung auszufertigen. Sie forderten beim »Gesetzgebungsrat«, dem die Obersten Richter und die Präsidenten der Anwaltskammern angehörten, ein Gutachten an. Der »Gesetzgebungsrat« urteilte, dass die belgischen Behörden nicht das Recht hätten, Maßnahmen gegen Juden zu treffen. Das sei »die Politik des Feindes« und berühre die öffentliche Ordnung Belgiens nicht. Allerdings seien die belgischen Behörden aufgrund der deutschen Besatzung auch genötigt, solche Maßnahmen der Militärverwaltung zu dulden.... Die judenfeindlichen, deutschen Verordnungen häuften sich. Im November 1940 wurden die Kommunen aufgefordert, Judenregister anzulegen. Alle Geschäfte und Betriebe von Juden erhielten einen stigmatisierenden Aufkleber. Zum 31. Dezember 1940 wurde allen jüdischen Lehrkräften und Juristen Berufsverbot erteilt, bald darauf galt es auch für Ärzte und Pflegepersonal. Die Feldkommandantur Antwerpen befahl 8.609 im Landkreis Antwerpen registrierten Juden, sich in die Provinz Limburg zu begeben. Dort mussten die Provinz- und Kommunalverwaltungen Unterkunft, Arbeit und Verpflegung beschaffen. Im Sommer 1941 befahl die Militärverwaltung die Rückführung dieser Zwangsaussiedler nach Antwerpen, Brüssel, Charleroi und Lüttich. Dann verlangte sie auch den roten Stempel »Jood – Juif« in den Personalausweisen. Jüdische Unternehmen bekamen deutsche »Treuhänder«, ihr Vermögen wurde »verwahrt«, immer mehr wurden mit fadenscheinigen Vorwänden »übernommen « oder geschlossen. Schließlich ordnete die Militärverwaltung am 8. Mai 1942 für alle Juden – die sie bis dahin systematisch der Arbeit beraubt hatte – Zwangsarbeit in belgischen Rüstungsbetrieben und vor allem am Atlantikwall in Nordfrankreich an. Dagegen protestierten die Generalsekretäre förmlich, und die Bürgermeister von Brüssel und Lüttich wiesen die ihnen unterstehende Kommunalpolizei an, die deutschen Gestellungsbefehle nicht abzuliefern... Allerdings hatte die Militärverwaltung, unter politischem Druck Berlins, inzwischen dem Aufbau einer belgischen Parallelverwaltung zugestimmt, in der ausschließlich belgische Kollaborateure tätig waren. Das neue »Nationale Arbeitsamt« mit örtlichen Dienststellen und darin besonderen »Judenstellen« organisierte die Zwangsarbeit. Antwerpen, Gent und Charleroi waren mit Vororten zu großen Stadtverbänden zusammengeschlossen worden, an deren Spitze Kollaborateure standen. Die Deutschen hatten auch die Kreis- und Provinzverwaltungen gründlich »gesäubert«, und sogar die Ernennung einiger ihnen wohl gesonnener Generalsekretäre durchgedrückt. Am 5. Juni 1942 befahl die deutsche Militärverwaltung, alle Juden müssten den gelben »Judenstern« tragen. Es war Sache der Kommunalverwaltungen, die Sterne zu beschaffen und zu verteilen. Die meisten fügten sich. Aber die Bürgermeister von Brüssel und Lüttich weigerten sich, »an einer Maßnahme mitzuwirken, die einen Anschlag auf die Menschenwürde bedeutet.« Nur durch den listigen Vorwand der Besatzer, es handele sich um eine Routinekontrolle, nahmen Brüsseler und Lütticher Polizisten im Sommer 1942 an der ersten großen Razzia in ihren Städten teil. Danach verboten die Bürgermeister weitere Einsätze. Wenige Monate später wurden sie ihrer Ämter enthoben, als die Deutschen »Groß-Brüssel« und »Groß-Lüttich« mit genehmen Kollaborateuren schufen. Ganz anders sah die Lage in Antwerpen aus. Dort führten Kommunalverwaltung und Kommunalpolizei die deutschen Befehle ohne Wimpernzucken aus. Im Mai 1940 floh der sozialistische Bürgermeister und Kammerabgeordnete Camille Huysmans nach London. Sein Nachfolger, der katholische Politiker Leo Delwaide, war ein Anhänger der »Neuen Ordnung «. Er ließ die deutschen Befehle ausführen. So half die Kommunalpolizei am 15. August und 11. September 1942 bei zwei großen Razzien mit. Am 28. und 29. September führte die Antwerpener Kommunalpolizei eigenmächtig eine große Razzia durch, bei der 1.243 Juden verhaftet und anschließend der SIPO-SD überstellt wurden. Die Opfer wurden in die »Dossin-Kaserne« in Mechelen gebracht und von dort nach Auschwitz transportiert. Weder der Bürgermeister noch die Staatsanwaltschaft reagierten. Am 30. September 1942 entschied die Militärverwaltung, dass die belgischen Behörden und Polizei nicht mehr an der Judenverfolgung mitwirken mussten. Das war fortan eine Angelegenheit von Gestapo und SIPO-SD und der belgischen Kollaborateure, die ihnen zuarbeiteten. Wenige Tage später brachen die inzwischen durch parallele Strukturen weitgehend entmachteten Generalsekretäre mit der Militärverwaltung, als sie den »Arbeitseinsatz« für belgische Staatsbürger in Deutschland anordnete. Damit missachtete sie eines der wichtigsten Elemente der »Galopin-Doktrin«, die sich endgültig als Fehlkalkulation erwies. Noch einmal protestierten sie energisch und förmlich im Oktober 1943, als die Deutschen, entgegen allen Zusicherungen, mit der Deportation der belgischen Juden begannen." [3]
Aufgrund einer Intervention des Schweizerischen Roten Kreuzes wurde 1943 eine Revision der gesundheitlichen Verhältnisse der Gefangenen in dem von der Geheimen Staatspolizei (GeStaPo) betriebenen Konzentrationslager Breendonk angeordnet.
Baader war als Wehrmachtsangehöriger in den Jahren von 1942 bis 1944 beratender Internist für Belgien-Nordfrankreich. In dieser Position wurde er als Angehöriger der Wehrmacht mit dieser Begehung beauftragt.
Hintergrund:
Die Zustände in dem der Geheimen Staatspolizei unterstellten Konzentrationslager Breendonk [4] waren bereits im September 1941 in den Focus der Militärverwaltung geraten: In einem für den Militärbefehlshaber in Belgien und Nordfrankreich erstellten Aktenvermerk vom 29. September 1941 wurde hierzu ausgeführt:
• „Das Lager wurde eingehend besichtigt, insbesondere die Unterkunftsräume, Arrestzellen, Revier sowie die Unterkunft der Wachmannschaft. Der Lagerleiter und seine Gehilfen wohnen außerhalb des Forts in der Ortschaft Villebroeck, größtenteils in einer Gemeinschaftsunterkunft. Die Unterbringung der Lagerinsassen in den Kasematten des Forts ist eng, aber erträglich. Die Arrestzellen, in denen sich ein Mensch gerade ohne anzustoßen aufhalten kann, sind ungenügend und allenfalls für Schwerverbrecher zu ertragen. Der Umstand, daß die Arrestzellen in einem Raum eingebaut sind, wobei sämtliche Zellen nach oben offen und lediglich mit starkem Stacheldraht belegt sind, beläßt den Arrestanten die Möglichkeit, miteinander zu sprechen. In der Wachstube befindet sich ein aus Bandeisen hergestellter Käfig, in dem Selbstmordverdächtige ständig unter Aufsicht der Wache gehalten werden sollen. Dieser Käfig ist völlig ungeeignet. Die Reviere, ein jüdisches und ein arisches, sind erheblich überbelegt und zwar fast ausschließlich mit Schwerkranken infolge Hungers. Alle Kranken sind aufs äußerste abgezehrt, zum Teil mit, zum Teil ohne Hunger-Ödem. Außerdem fanden sich einige Fingerverletzungen und Eiterungen an den Beinen, eine offene blutende Tbc, die sofort verlegt werden mußten. Die Räume für Nahrungsmittel einschließlich des Eisschranks waren sorgfältig gepflegt und in Ordnung gehalten. Sie bedürfen einiger Verbesserung für die Kartoffellagerung und für die Durchlüftung. Die Unterkunft der Wachmannschaften befindet sich ebenfalls in den Kasematten des Forts. Sie ist geräumig und einigermaßen brauchbar ausgestaltet. Sowohl das Aufsichtspersonal der SS als auch die Wachmannschaften sind zum Teil seit vielen Monaten ohne Ablösung im Lager. An Ort und Stelle wurden durch Herrn KVVCh Dr. von Craushaar folgende Anordnungen getroffen: 1) Aufnahmen in das Lager dürfen nur aufgrund von Einweisungen des Beauftragten des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, Dienststelle Brüssel, oder seiner Außenstellen erfolgen. 2) Der Lagerkommandant bzw. sein Stellvertreter sind persönlich dafür verantwortlich, daß Mißhandlungen durch die gleichfalls inhaftierten Aufseher nicht stattfinden. 3) Die Unterstellung von Ariern unter jüdische Aufseher hat sofort aufzuhören. 4) Für sofortige Verlegung des Tbc-Kranken in ein Lazarett ist Sorge zu tragen. 5) Wegen der Versorgung des Lagers mit Lebensmitteln und Kohlen hat OKVR Duntze die erforderlichen Verbindungen unverzüglich aufzunehmen. Mit Sturmbannführer Dr. Canaris wurde weiter besprochen, daß der Militärbefehlshaber – Militärverwaltungschef – einen grundlegenden Organisationsbefehl über Trägerschaft und Zweck des Lagers, Kreis der aufzunehmenden Personen, Einweisungsverfahren, Disziplinarstrafgewalt, ärztliche Versorgung, Haftprüfung und Beaufsichtigung herausgeben wird. In diesem Befehl wird der Beauftragte des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD veranlaßt werden, seinerseits eine Lagerordnung aufzustellen, welche die Einzelheiten des Lagerlebens, Tageslauf, Dienst und Arbeitseinteilung, Brief- und Paketempfang, Disziplinarstrafen usw. eindeutig unter Feststellung der Verantwortlichkeiten enthält. Diese Lagerordnung ist dem Militärverwaltungschef zur Genehmigung vorzulegen. Ferner wurde besprochen, daß Breendonk lediglich den Charakter eines Straflagers haben dürfe und daß Personen, deren einstweilige Internierung aus Sicherheitsgründen erforderlich sei, in einem mit größter Beschleunigung neu einzurichtenden Lager unterzubringen seien, welches den Charakter eines reinen Internierungslagers, entsprechend einem Kriegsgefangenenlager, besitzen soll. Wegen der Auswahl eines geeigneten Ortes war bereits vorher mit Herrn Oberstleutnant von Hauenschild Fühlung genommen worden. Inzwischen ist auch durch den Medizinalreferenten des MVCh, ObStA Holm, Vortrag beim leitenden Sanitätsoffizier, Herrn Generalarzt Dr. Blum, erstattet worden. Dieser Vortrag ergab, daß der leitende Sanitätsoffizier den Standort-Arzt von Mecheln nicht nur zur Abhaltung der Revierstunden, sondern auch für den gesamten San[itäts]-Dienst abgestellt habe, also auch für die hygienische Überwachung. Bei Unterstellung des Lagers unter den Militärverwaltungschef braucht demnach in der Lagerordnung nur bestimmt werden, daß der San[itäts]-Dienst einschließlich der hygienischen Überwachung durch einen vom leitenden San[itäts]-Offizier kommandierten San[itäts]-Offizier wahrgenommen wird, dessen Anordnungen zu entsprechen ist und der bei Differenzen dem leiten- den San[itäts]-Offizier Meldung zu erstatten hat. Auch die Versorgung im Lazarett in Antwerpen ist durch den leitenden San[itäts]-Offizier sichergestellt. Organisationsbefehl und Lagerordnung sind in der Ausarbeitung und werden beschleunigt vorgelegt werden.“[5]
Die Hintergründe dieser für Baader gefährlichen, aber für die Häftlinge im Konzentrationslager lebensrettenden Intervention werden durch einen Zeitzeugen, nämlich Baaders seinerzeitigen Vorgesetzten, dem Chefarzt des 3.000-Betten umfassenden Kriegslazaretts in Brüssel, Dr. Ernst Thoma deutlich:
Schlussfolgerungen, wie sie Leven zieht, wenn er in diesem Zusammenhang schreibt:
„Einmal abgesehen, wie sehr Baader tatsächlich mithalf, die Lebensbedingungen der Breendonk-Häftlinge zu verbessern, so wird durch diese Epoche doch offenkundig, dass er durch die Verlegung der halb verhungerten und teilweise gefolterten Arbeitssklaven in „sein“ Kriegslazarett einen genauen Einblick in das Gewalt- bzw. Destruktionspotential der NS-Okkupationspolitik in Belgien erlangte; eine Besatzungsherrschaft, die der Wehrmediziner bis zum Ende mittrug und durch seine Tätigkeit zu stabilisieren versuchte.“
unterscheiden sich leider nicht wesentlich von den vereinfachten Darstellungen einer Frau Elsner und verkennen bedauerlicherweise die Situation von Menschen, die auch – wenn auch nicht unmittelbar wie die Häftlinge – der Diktatur ausgeliefert waren. Es gehörte – und dies muss angesichts der jüngsten außenpolitischen Entwicklungen angemerkt werden – nämlich Mut dazu, sich auf die Seite der Gefangenen zu stellen und deren Schicksal zu lindern.
Die Aussage im Klappentext des Levenschen Buches,
„Indem er seine klinisch-kasuistische Sichtweise gesundheitspolitisch und universitär zu verankern suchte, schloss er sich auf verschiedenen Handlungsfeldern der NS-Ideologie an, war in den Kriegsjahren Sanitätsoffizier auch für die gesundheitlichen Verhältnisse in dem belgischen KZ Breendonk zuständig und ließ Menschenversuche an Zwangsarbeitern in Berlin durchführen.“
ist sinnentstellend, weil sie im Kontext stehend suggeriert, dass Baader für die menschenverachtenden Zustände im KZ Breendonk zuständig gewesen sei und "Menschenversuche an Zwangsarbeitern" in Berlin durchführte.
Das Gegenteil war der Fall.
Das korrekt darzustellen, war aber weder gewollt noch gewünscht.
[1] Stefan Martens (Hrsg.) Frankreich und Belgien unter deutscher Besatzung 1940-1944. Die Bestände des Bundesarchivs-Militärarchivs Freiburg bearbeitet von Sebastian Remus, 2002.
[2] Siehe hierzu: Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945, Band 5, West- und Nordeuropa 1940 – Juni 1942, bearbeitet von Katja Happe,Michael Mayer, Maja Peers, Mitarbeit: Jean-Marc Dreyfus, München 2012, S. 18-19:
[3] Sven-Claude Bettinger, »Das gefügige Belgien«, Das Königreich im Zweiten Weltkrieg, in: Tribüne, 183 (2007) S.138 – 144. Im Februar 2007 veröffentlichten fünf Forscher des unabhängigen Brüsseler »Zentrums zur Erforschung und Dokumentation Krieg und Gesellschaft« (CEGES/SOMA) eine fast 1.200 Seiten umfassende Untersuchung über die Mitwirkung aller staatlichen Stellen Belgiens an der Judenverfolgung während des Zweiten Weltkriegs. Der Autor stellte in seinem Aufsatz die Studie vor.
[4] Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland, Bd. 5, West- und Nordeuropa: 1940 - Juni 1942 / bearb. von Katja Happe, Michael Mayer, Maja Peers, München [u.a.], 2012. S. 473 ff., DOK. 175: Der Militärverwaltungschef fasst am 29. September 1941 die Zustände im Lager Breendonk zusammen – Fn. 4: Das 1906 gebaute (richtig:) Fort Breendonk diente von Sept. 1940 an als Straflager der Sicherheitspolizei und des SD; bis zur Gründung des Durchgangslagers Mechelen im Juli 1942 wurden auch jüdische Gefangene dort inhaftiert. Die meisten Insassen von Breendonk wurden nach und nach in deutsche Konzentrationslager deportiert, nur etwa die Hälfte der 3500 Gefangenen überlebte; Patrick Nefors, Breendonk, 1940-1945. De geschiedenis, Antwerpen 2004/Breendonk 1940-1945, Brüssel 2005.
[5] Katja Happe, Die Verfolgung, a.a.O., S. 473 ff.: DOK. 175 Der Militärverwaltungschef fasst am 29. September 1941 die Zustände im Lager Breendonk zusammen.
[6] Entnazifizierungsakte E. W. Baader, Landesarchiv Duisburg, Bestand: NW – 1100 – BG 34-129.
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